Es gibt diese eine Sorte Mensch, die mich dazu inspiriert, über meine Sicht der Dinge nachzudenken. Darüber, wer ich sein will. Ich möchte euch von meiner Kollegin K erzählen.
K ist Mitte 50 und arbeitet Teilzeit im Einzelhandel. In einer Damen-Abteilung für Designermode um genau zu sein. Sie hat einen kurzen, platinblonden Haarschnitt, trägt flache Schnürer mit Plateausohle und weite Hosen und Blusen aus feinem Material. Aktuell, lässig und hochwertig. Sie hat Ahnung von dem was sie tut. In ihrem Alltag begegnen ihr ständig die besonders anstrengenden Kundinnen. Die, mit viel Geld und wenig Zeit. Die, mit viel Geld und zu viel Zeit. Für jeden, der schnell angestrengt von Hochnäsigkeit und banalen Problemen ist also ein gefundenes Fressen für ein bisschen Alltagshass und schlechte Laune. Aber K lacht. Sie erzählt uns von der letzten Beratung einer Kundin, die wieder ihre Geduld getestet hat. K. amüsiert sich köstlich darüber, reagiert mit ein bisschen Sarkasmus und Ironie, steckt uns mit ihrem Optimismus an. Jedes Mal bin ich von ihrer Lässigkeit und offenen Art inspiriert.
Spulen wir zwei Jahre weiter und ich bin müde und frustriert. Wir versuchen Visionen umzusetzen und scheitern an alten Werten. Ungerechte Situationen häufen sich und ich wettere und meckere bis meine Stirn eine Zornesfalte der Enttäuschung und Verbitterung ziert. Mein halbes Leben wurde mir vorgehalten zu nett, zu lieb, zu nachsichtig zu sein. Jetzt lasse ich mir nicht mehr so viel gefallen und werde immer unglücklicher. Zu einem Menschen, der erst motzt und dann weiterdenkt.
Lässig durch’s Leben.
Da denke ich wieder an K. zurück. Und an das Pärchen, dass ich letztens getroffen habe. Anfang 60, stylisch gekleidet in weiten Leinenloden und flachen Designschuhen. Ich treffe diese Art von Mensch ab und zu, sie sind sich immer ähnlich. Vielleicht kommt diese Lässigkeit erst mit dem Alter, vielleicht muss ich gerade jetzt kratzbürstig und aufgeregt sein? Oder muss ich aufhören die Dinge verändern zu wollen, aufgeben und annehmen was zur Verfügung steht? Mit dem glücklich sein, was ich habe?
Ich denke die Antwort liegt in der Mitte. Aber ich will K als Inspiration im Kopf behalten und als Ziel, wer ich irgendwann mal sein möchte. Die Lebensart, die Dinge positiv zu sehen und Menschen unvoreingenommen und positiv zu begegnen. Alltäglichem eher amüsiert gegenüber zu stehen und ein inneres Vertrauen aufzubauen, dass die Dinge schon laufen, wie sie laufen. Ohne mich dabei über’s Ohr hauen zu lassen oder blind für das große Ganze zu werden. Lieber gehe ich ein Stück weit naiv durch die Welt, als misstrauisch und dramatisch. Und naiv heißt dabei nicht dumm, genauso wie glücklich nicht „einfach“ bedeutet.
Ich wünsche mir tiefe Lachfalten um meine Augen, einen entspannten Lauf und die Fähigkeit auf Niederlagen und kleine Alltagshindernisse mit dieser besonderen Lässigkeit zu begegnen, die mich so fasziniert. Von den ganzen schlechten Vibes und Verführungen zum Schwarz-Weiß-Denken will ich mich nicht mehr ärgern lassen.
Manchmal verliere ich meine eigenen Werte aus den Augen oder denke, sie seien falsch, kindlich oder naiv. Dabei heißt erwachsen zu werden vielleicht auch einfach nur „das Maß zu finden“ und sich selbst nicht zu verlieren. Kann man über dieses Thema nicht prima stundenlang sinnieren? Ich beginne einfach mal und sage: Happy Sarih is back! Alles weitere wird schon kommen, wie es kommt.
xoxo
Fotos: @annabellesagt <3
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